Doaa – Meine Hoffnung trug mich über das Meer Ein außergewöhnliches Schicksal erzählt von der Sprecherin der UN-Flüchtlingshilfe Melissa Fleming by Melissa Fleming

Doaa – Meine Hoffnung trug mich über das Meer  Ein außergewöhnliches Schicksal erzählt von der Sprecherin der UN-Flüchtlingshilfe Melissa Fleming by Melissa Fleming

Autor:Melissa Fleming [Fleming, Melissa]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426441220
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Kapitel 7

Deal mit dem Teufel

An einem milden Juninachmittag im Jahr 2014, neun Monate nach Doaas und Bassems Verlobung, beendete Familie Al Zamel gerade das Mittagessen. Doaa lebte immer noch zu Hause bei ihrer Familie, denn Bassem und sie konnten nicht zusammenziehen, bevor sie nicht offiziell verheiratet waren.

Bassem half beim Abräumen des Tisches. Dann schlug er einen Spaziergang vor, bevor er und Shokri zurück in den Friseurladen wollten. Das junge Paar ging der Familie händchenhaltend voraus und plauderte angeregt. Als sie an der Strandpromenade ankamen, neigte Bassem sich seiner Verlobten zu, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Er betonte jedes einzelne Wort, als habe er lange geübt. »Ich möchte etwas Wichtiges mit dir besprechen. Ich möchte, dass wir nach Europa gehen. Hier haben wir keine Zukunft. Wir kommen hier nicht vorwärts, und nach Syrien zurück können wir nicht.« Er blickte in ihr erstauntes Gesicht und zählte noch mehr Argumente auf: »Alle tun das. Einer meiner Freunde ist nach Deutschland gegangen und hat dort einen Antrag gestellt, um seine Familie nachzuholen. Dort ist es besser, Doaa. Du könntest zur Schule gehen, und ich kann einen Friseurladen eröffnen. Wir können uns ein Heim schaffen, ein Heim für eine Familie.« Hoffnungsvoll suchte er in ihrem Gesicht nach Zeichen der Zustimmung. »Was meinst du? Wir müssen allerdings das Geld dafür beschaffen.«

Doch Doaa konnte nur an eines denken: das weite Meer, das zwischen Ägypten und Europa lag. An das Wasser, das über ihrem Kopf zusammenschlug, ihr in die Lunge lief. Sie hatte immer noch nicht schwimmen gelernt. Allein der Gedanke an dieses weite Meer machte ihr Angst. Sie wusste, dass Flüchtlinge nicht legal nach Europa einreisen konnten. Und sie würden keine Papiere bekommen, um auf einer schönen, großen Fähre reisen zu können wie jene, die sie nach Ägypten gebracht hatte. Ihre Bewerbung um ein Visum würde mit Sicherheit abgelehnt werden. Und um in Europa Asyl beantragen zu können, musste man dort sein. Doaa wusste, dass die Ägypter diese Ausreisebestrebungen für illegal erachteten. Und jedem Flüchtling war klar, dass dieser Weg alles andere als sicher war. »Meinst du auf einem Schlepperboot?«, fragte sie. »Das kannst du vergessen. Ich mache das nicht.« Sie wusste, dass diese Boote gewöhnlich klein, nur noch Schrott und total überfüllt waren. Es kursierten Geschichten von Booten, die gesunken, von Menschen, die ertrunken waren. Sie konnte nicht fassen, dass Bassem ein derartiges Risiko eingehen wollte. Wie sollte sie in einem dieser Boote das Meer überqueren, wo sie sich doch nicht mal traute, die große Zehe ins Wasser zu stecken?

»Aber«, stotterte Bassem, »du musst doch nur bis zu den Knien ins Wasser. Dann, im Boot, bist du in Sicherheit. Und sobald wir italienische Gewässer erreichen, werden wir gerettet. Von Italien aus können wir uns dann nach Deutschland oder Schweden durchschlagen!« Bassem hatte gehört, dass man Leuchtraketen abschießen musste, sobald man in italienischen Gewässern war. Und dass die italienische Küstenwache dann Schiffe losschickte, die die Insassen der Flüchtlingsboote bargen.

»Auf gar keinen Fall.« Doaa zitterte am ganzen Leib. »Meine Antwort ist nein, Bassem.«

Aber er ließ nicht locker.



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